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Klimaschutz und Investitionen

„Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation ist gefährdet“

Ethisches Investment

Die EKHN orientiert sich bei der Geldanlage auch an den ethisch-nachhaltigen Kriterien der EKD

Die EKHN legt Geld an, um Rücklagen zu bilden. Damit kirchliche Aufgaben auch in der Zukunft erfüllt werden können. Dabei achtet sie auf ethisch-nachhaltige Kriterien. Die Geldanlage soll sozialverträglich und ökologisch, aber auch generationengerecht erfolgen. Doch laut EU-Kommission gelten jetzt auch Investitionen in Atom und Erdgas als nachhaltig. Der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren unter dem Vorsitz des Leiters der Kirchenverwaltung Heinz Thomas Striegler hat Stellung bezogen: Der Rechtsakt der EU sei eine Fehlsteuerung und gefährde die Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation. In einem Interview kommentiert das Team des Vermögensmanagements der EKHN die aktuelle Entwicklung als Widerspruch zum #klimagerechtwerden.

„Die Klimakrise fordert unseren Glauben und unser Handeln”, hatte Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gesagt. Anlass war der Start im der bundesweiten Klimakampagne der EKD „#klimagerechtwerden“ im Frühjahr 2022. Auch in der EKHN setzen sich viele Menschen für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit ein – auch in Bereichen, in denen beides auf den ersten Blick nicht offensichtlich auf der Hand liegt. Für das Team im Referat „Vermögensmanagement“ der Kirchenverwaltung der EKHN gehören Fragen nach nachhaltigen Anlagestrategien zur täglichen Arbeit.

Fehlsteuerung gefährdet sozial-ökologischen Transformation

Neu herausgefordert ist das Team rund um die Vermögensverwaltung der EKHN aufgrund einer Nachreichung  der EU-Kommission zur Grünen Taxonomie, in der es um die Kategorisierung von Finanzprodukten nach ihrer Nachhaltigkeit geht. In dem Papier werden allerdings Investitionen in Atomkraft und Erdgas unter bestimmten Auflagen als nachhaltig eingestuft. Als Leiter der Kirchenverwaltung und Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren (AKI) hat Heinz Thomas Striegler für den AKI-Vorstand Stellung bezogen: „Mit der Einstufung von Gas- und Atomkraft als nachhaltig stellt sich die EU-Kommission gegen die wissenschaftsbasierten Kriterien ihrer eigenen Beratungsgremien und stellt die Glaubwürdigkeit des Europäischen Green Deal in Frage.“ Laut des 2019 vorgestellten „European Green Deal“ sollten die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der Europäischen Union bis 2050 auf null reduziert werden. In der AKI-Erklärung heißt es weiter zur vorgeschlagenen EU-Taxonomie von 2022: „Diese Fehlsteuerung gefährdet die dringend notwendige Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation.“
AKI-Erklärung zur Umwelt-Taxonomie (PDF)

Nachhaltigkeit der EKHN-Anlagestrategien

Was bedeutet das für die Anlagestrategie der EKHN? Denn die EKHN orientiert sich bei der Geldanlage auch an den ethisch-nachhaltigen Kriterien der EKD. Worauf die EKHN bei Finanzanlagen vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und ihren Zielen achtet, schildert das Team im Referat Vermögensmanagement gemeinsam in einem Interview.

Interview:

Wie sehen heute konkret die Geldanlagen der EKHN im Energiebereich aus, vor allem in Bezug auf Erdgas- und Atomenergie?

Auf den Punkt gebracht: Wir sagen Nein zu Kohle, Fracking und Atomstrom. Und damit das in einem globalen Anlageuniversum gelingt, hat die EKHN ein Unternehmen beauftragt, den Kapitalmarkt mit Hilfe einer Nachhaltigkeitsfilter-Methodologie zu untersuchen. Es entsteht eine Ausschlussliste von Unternehmen, in die kein Geld fließt. Im Energiebereich sind das die originären Geschäftstätigkeiten in der Kohleförderung sowie Kohle- und Atomstrom. Ausgeschlossen ist auch das Fracking. Aus Gründen der Glaubwürdigkeit ist der Ausschluss der Geschäftszweige um die konventionelle Gas- und Ölförderung dann geplant, wenn in den Gemeinden und Einrichtungen die Umstellung auf die erneuerbaren Energien weitestgehend abgeschlossen ist.

In unserem Portfolio sind diese Wirtschaftstätigkeiten jedoch stark untergewichtet.

Die EU-Kommission hat Atomkraft und Erdgas als nachhaltig eingestuft. Wie bewerten Sie dies Entscheidung als der Perspektive des kirchlichen Vermögensmanagements?

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Atomtechnologie als nachhaltig im Sinne der Grünen EU-Taxonomie deklariert wird. Gleiches gilt für Fossiles Gas/Methan. Damit wird die wissenschaftsbasierte Architektur des Klassifizierungssystems zerstört und die langjährige Arbeit der beteiligten Expertengruppen ad absurdum geführt. Die kirchlichen Investoren sind mit einer Stimme in der Platform on Sustainable Finance der EU-Kommission vertreten - nach unserem Verständnis war es der Anspruch, einen Standard für die Finanzierung von Wirtschaftsaktivitäten vorzulegen, die glaubwürdig nachhaltig sind. Mit sechs klar definierten Umweltzielen, die einander nicht widersprechen dürfen. Die Energiegewinnung mit Atomkraft  trägt zwar zum Ziel der Klimaneutralität bei, der Atommüll hingegen konterkariert massiv die anderen fünf Umweltschutzziele (Do No Significant Harm). 

Der CO2-Ausstoß ist trotz aller bisherigen Anstrengungen immer noch viel zu hoch. Was halten Sie von Atomkraft als zeitlich begrenzte Alternative?

Die hohen Investitionskosten sprechen wirtschaftlich gegen eine determinierte Brückentechnologie.

In den Grundsätzen für die Vermögensanlage von 2017 hat die EKHN festgehalten, dass sie die CO2-Intensität der Finanzanlagen reduzieren möchte. Was hat die EKHN diesbezüglich bisher unternommen?

Durch Vermögensumschichtungen in den liquiden Anlagen konnte die CO2-Intensität relativ zu einer Vergleichsgröße (Benchmark) und absolut Jahr für Jahr reduziert werden. Dazu hat der Ausbau der Fossil-Free-und climate-change-Anlagestrategien beigetragen sowie die halbjährliche Identifikation von Emissionstreibern in unseren Fonds. Aktuell arbeiten wir mit unserer Kapitalverwaltungsgesellschaft an einer Methodologie, mit der wir ein 1,5-Grad-Ziel-Szenario für unsere Finanzanlagen setzen wollen.  Neben den Ist-Emissionen sollen auch die Transformations-Bemühungen der Unternehmen in den Blick genommen werden.

Bei der Anlageklasse Infrastruktur sind die Investitionen in den Sektor der Erneuerbaren Energien ausgebaut.

Die EKHN hatte sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2021 auf Anleihen von Unternehmen zu verzichten, deren Schwerpunkt im Bereich fossiler Brennstoffe liegt. Konnte die EKHN das Ziel erreichen?

Mit dem Kohle-Ausschluss fließen keine Gelder mehr in die Finanzierung dieses klimaschädlichsten Energieträgers. Erdgas sehen wir als Übergangstechnologie bis zur „Wärmewende“, den Ausschluss halten wir aktuell – auch aufgrund der noch zu bewältigenden Umstellungsmaßnahmen in kirchlichen Gebäuden - für nicht glaubwürdig. 

Was könnten die Folgen der Entscheidung der EU-Kommission aus Sicht des Vermögensmanagements sein?

Noch ist Zeit für eine Korrektur. Eine Möglichkeit wäre der Klageweg, aber auch das EU-Parlament und der Rat können die Vorlage in den nächsten Monaten noch ablehnen. Ansonsten tritt sie am 1.1.23 in Kraft.

Bleibt es dabei, dann sind der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet. Mit weitreichenden Folgen. Auch für die Soziale Taxonomie, die aktuell noch in der Entwurfsfassung steckt. Bisher schien die Auffassung, dass die Finanzierung der Waffen-Produktion nicht mit ethisch-nachhaltigen Anlagegrundsätzen vereinbar ist, auch im außerkirchlichen Investorenkreis weit verbreitet. Gelingt nun aber auch der Rüstungsindustrie die Aufnahme in Sozialfonds mit Nachhaltigkeitsanspruch, weil ihr die Finanzierung mit Investorengeldern andernfalls zunehmend erschwert scheint, verlöre auch die Soziale Taxonomie an Wert.

Was könnte das für Investitionen im Allgemeinen bedeuten?

Kann der institutionelle Kapitalanleger nicht auf die EU-Nachhaltigkeitsstandards vertrauen, dann wird er die Wirtschaftszweige, die ihm Reputationsrisiken verursachen, untergewichten und den Dialog mit dem Unternehmen suchen - oder er wird diese Emittenten als „nicht investierbar“ von der Vermögensanlage ausschließen. Der Privatanleger hingegen wird das Marktangebot von Ökofonds oder Sozialfonds genau unter die Lupe nehmen müssen, um gewiss zu sein, mit seiner Anlage auch tatsächlich den Ausbau nachhaltiger Energiequellen zu finanzieren.

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